Ein Abstecher in den Kunstdruck: Die Radierung
Eine sehr alte aber auch heute noch im Kunstdruck sehr gebräuchliche Drucktechnik ist die Radierung. So rabiat sie klingt – immerhin werden der Druckplatte dabei Verletzungen durch Kratzen oder Ätzen zugefügt – so prägend war die Technik für die Evolution der Kunst seit dem 15. Jahrhundert. Keine geringeren als Albrecht Dürer, Rembrandt oder später Vincent Van Gogh, Paul Gauguin oder Picasso setzten sich intensiv mit der Radierung auseinander und nutzen diese zur Vervielfältigung ihrer Meisterwerke.
Wir stellen im Folgenden die Technik vor, von der die großen Meister früher und auch heute noch nach wie vor angetan sind. Gerade in Zeiten, in denen das Kunsthandwerk und somit ursprüngliche und manuelle Produktionsverfahren wieder stärker in den Vordergrund geraten, ist eine Reise in die Vergangenheit im wahrsten Sinne des Wortes „Gold wert“.
Die Ursprünge
Ihre Ursprünge hat die Radierung nämlich im frühen 15. Jahrhundert bei den Gold- und Kupferschmieden. Hier spielte das Schneiden und Gravieren von Metall schon seit Langem eine große Rolle. Verbunden mit der Entstehung von Papiermühlen setzte sich auch allmählich der Kupferstich als künstlerisches Mittel der Vervielfältigung durch. Hierbei wurden Kupferplatten so behandelt, dass die Gravuren die Druckfarbe auf das zu reproduzierende Druckprodukt übertrugen. Mit dem Kupferstich ist also ein Tiefdruckverfahren entstanden. Da diese ersten Entwicklungen vornehmlich im Südwesten Deutschlands und in der Schweiz stattgefunden haben, gilt der frühe Kupferstich als europäische Drucktechnik.
Prägend zu Beginn der Entwicklung der Radierung war der Künstler Albrecht Dürer (1471–1528), der den Kupferstich während einer Goldschmiedlehre bei seinem Vater kennenlernte. Er meisterte in der Folge die Technik der Kaltnadelradierung und entwickelte die Radierung durch Ätz-Verfahren weiter. Durch die damals neue Linien-Ätzung fügte er der Druckplatte die Verletzungen nicht mehr durch die manuelle Arbeit mit einem Stichel zu, sondern durch das Auftragen einer Flüssigkeit, die die Linien in das Metall ätzte.
Zwar lösten zum Ende des 18. Jahrhunderts der Holzstich, der übrigens auch von Dürer geprägt wurde, sowie die Fotographie und die Lithographie den Kupferstich größtenteils ab, aber bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts erlebte die Radierung eine eigene Renaissance, als viele damalige Künstler ihre Druckgrafiken durch eigens hergestellte Druckplatten reproduzierten.
Die Technik
Grundlage der Radierung ist die Verletzung einer Druckplatte mit Linien, die durch eine Nadel, einen Stichel oder durch ätzende Flüssigkeiten vorgenommen werden. Die tieferliegenden Bereiche werden anschließend mit Druckfarbe gefüllt, die bei dem Druckvorgang auf das zu bedruckende Material übertragen wird. Der Tiefdruck setzt anders als bei den Hochdruckverfahren die Benutzung einer Walzendruckpresse voraus.
Bei der Kaltnadelradierung zeichnet eine Radiernadel aus härterem Stahl die Linien direkt in die Druckplatte. Je nach Tiefe können die Linien mehr oder weniger Farbe aufnehmen und somit für einen dunkleren oder helleren Farbton sorgen. Durch die Nadel sind sehr genau Zeichnungen möglich, allerdings war und ist der Vorgang relativ aufwendig und beanspruchend.
Die Ätzradierung hingegen beschreibt hingegen einen Vorgang, bei dem zunächst eine Zeichnung in eine temporäre säureresistente Abdeckschicht auf der Platte gekratzt wird und anschließend in die Druckplatte geätzt wird. Nach dem Ätzen wird die Abdeckschicht wieder entfernt und übrig bleibt die verletzte Druckplatte. Anders als bei der Nadelradierung sind exakte Linien aber mit der Säure kaum möglich, da stets ein wenig Flüssigkeit unter die Abdeckschicht gelangen kann. Die daraus resultierende Charakteristik ist eine körnige Linie, die jedoch unter den Künstlern und Kunstsammlern ihre treuen Liebhaber hat.
Die beiden Verfahren setzen voraus, dass das Material der Druckplatte möglichst glatt sowie verletzbar ist und angreifbar durch ätzende Flüssigkeiten. Als besonders geeignet haben sich im Laufe der Zeit Metalle wie Kupfer, Zink oder Messing herausgestellt, während Eisenradierungen lediglich in der Anfangszeit angefertigt wurden.
Die Radierung heute
Heute werden zwar neben Metallen vor allem Kunststoffe als Ausgangsmaterial für Radierungen verwendet, doch noch immer erfreut sich die Radierung als Kunstdrucktechnik einer konstant hohen Beliebtheit bei Kunstsammlern und Kunsthandwerkern. Die Reproduktionsmethode ist verhältnismäßig kostengünstig und sorgt dadurch für relativ erschwingliche Preise auf dem Markt – auch bei eher kleinen Auflagen. Die Auflagenhöhe schwankt dabei zwischen wenigen Exemplaren und tausenden Abzügen.
Obwohl sich die Drucktechnik der Radierung über die Jahrhunderte seit ihrer Erfindung stetig weiterentwickelt hat und vielerlei Formen angenommen hat, sind die grundlegenden Prozessschritte noch immer die gleichen wie auch rund 500 Jahre zuvor. Diese Ursprünglichkeit sowie die eindeutigen Vorteile für den Kunstdruck machen die Radierung zu einem beliebten und einem der beständigsten Druckverfahren. Die relativ geringen Reproduktionskosten sowie die einfachen und handwerklich zu bewältigenden Arbeitsschritte machen die Technik für Künstler verschiedenster Couleur interessant und nicht zuletzt für die Sammler deren Kunstwerke.