Die Grundlagen der Bildgestaltung
Wodurch geht der besondere Reiz von manchen Fotos, Bildern, Zeichnungen oder Grafiken aus? Sie mögen nicht einmal wahnsinnig spannende Motive zeigen und trotzdem bleibt der Blick darauf haften. Ein naheliegender Grund dafür könnte sein, dass die Bildkomposition solcher Werke sehr gut gewählt ist. Die Suche nach der idealen Komposition eint dabei sowohl Fotografen als auch Maler, Zeichner und Grafiker. Sie alle müssen sich zumeist an den rechteckigen Bildformaten orientieren und versuchen, ihr Motiv möglichst ansprechend in dem jeweiligen Format in Szene zu setzen. Zwar sind bei der Auswahl des Bildformats Spielräume gegeben, es gibt aber noch viele weitere Regeln der Bildgestaltung, die die Wirkung des Bildes beeinflussen.
Das Bildformat
Wenn das Foto oder das Bild später gedruckt werden soll, ist die Wahl des Bildformats im Prinzip eher eingeschränkt. Bilderrahmen gibt es zumeist in den Formaten 3:2, 4:3 oder auch 16:9 oder 1:1. Panoramaformate, runde oder individuelle Formate verlangen oft einen erheblichen Aufpreis. Um kostengünstig sein eigenes Werk an die Wand zu bringen, empfiehlt es sich also auf jeden Fall eines der Standard-Formate zu wählen. Allerdings gilt es schon hier eine entscheidende Wahl zu treffen. Hochformat oder Querformat?
Besonders in der Fotografie stellt sich dem Fotografen diese Frage immer wieder und per se kann darauf keine allgemeingültige Antwort gegeben werden. Zwar ist der Konsens, dass bei der Landschaftsfotografie das Querformat und bei der Portraitfotografie das Hochformat angewandt wird. Das liegt daran, dass das Querformat horizontale Linien stärker betont und daher für Landschaftsbilder oder Panoramaaussichten besonders geeignet ist. Das Querformat kommt dem Blickfeld des menschlichen Auges näher als das Hochformat und wirkt daher angenehm und ruhig. Viele Fotografen und andere Bildkünstler haben sich bei ihren Werken vollständig auf der Querformat festgelegt. Letztendlich kann mit dem Querformat nur wenig falsch gemacht werden. Wenn ein Foto, das im Querformat aufgenommen wurde, doch im Hochformat besser gewirkt hätte, kann es im Nachhinein immer noch so beschnitten werden. So geschieht es zum Beispiel oft bei Zeitschriften und Magazinen, die bei Fotos auf einer Seite Ausschnitte im Hochformat aus Bildern im Querformat ausschneiden, sollten diese nicht ohnehin im gleichen Format vorliegen.
Allerdings hat auch das Hochformat neben der Tauglichkeit für Presseerzeugnisse seine Vorteile. Durch das zum menschlichen Blickfeld unpassende Format wird direkt eine gewisse Dynamik und Spannung erzeugt. Der Fokus – da horizontale Orientierungslinien nicht zur Geltung kommen – liegt daher stärker auf dem Motiv. Dieses sollte allerdings mit seiner Form auch zum Format passen, ansonsten würde eine gewisse Unruhe von dem Verhältnis zwischen Motiv und Bildformat ausgehen.
Die Bildstrukturierung
Ist das Format erst einmal ausgewählt, steht jetzt die Positionierung des Motivs im Bildfeld im Mittelpunkt. Die Bildstrukturierung ist ganz entscheidend dafür, wie das Motiv letztendlich zur Geltung kommt. Das Motiv einfach in die Bildmitte zu rücken, ist zwar naheliegend, aber doch für den Betrachter schnell langweilig, wenn das Motiv alleine nicht sehr überzeugend und fesselnd ist.
Schöner ist es, das Motiv nach den bestimmten Bildgestaltungsregeln zu platzieren. Viele Kameras haben zum Beispiel die Option, ein Raster im Display einzublenden. Das Bild wird durch jeweils drei horizontale und drei vertikale Linien in insgesamt neun gleichgroße Felder unterteilt. Nach der sogenannten „Drittelregel“ wird das Motiv oder werden die Motive entlang der Linien und idealerweise an den Schnittpunkten positioniert. Diese Platzierung schafft Struktur in den Bildern, die nicht nur von der Bildmitte abhängt und wirkt klarer und ordentlicher als ein willkürlich positioniertes Motiv.
Ein wenig spannender als die Drittelregel ist der sogenannte „Goldene Schnitt“. Auch hier wird das Bild in neun Felder durch drei horizontale und drei vertikale Hilfslinien eingeteilt. Im Gegensatz zu der Drittelregel ist das Verhältnis zwischen den mittleren Feldern und den oberen und unteren Feldern beim Goldenen Schnitt nicht 1:1, sondern basiert auf der Formel a : b = b : (a + b). Daraus ergibt sich ein Verhältnis zwischen den mittleren und oberen und unteren Feldern von 1: 1,618. Die Schnittpunkte und die Linien liegen im Vergleich zur der Drittelregel also zwar nur marginal versetzt, aber trotz der sehr theoretischen Herangehensweise zahlt sich eine Bildstrukturierung nach den Regeln des Goldenen Schnitts oft mehr aus als nach der Drittelregel.
Die Komposition nach Formen
Sehr interessant wirkt das Bild zudem auch, wenn das Motiv oder die Motive grob nach einer geometrischen Form angeordnet sind. Das schafft ebenfalls Struktur und Harmonie und lenkt den Blick des Betrachters automatisch.
Bewährte Formen sind zum Beispiel das Dreieck, bei dem an den zwei unteren und an der oberen Ecke markante Punkte des Motivs oder der Motive platziert werden, die L-Form, bei der die Motive entlang einer langen und einer kurzen Linie der L-Form positioniert werden oder die Kreuzform, bei der das Motiv entlang zweier sich orthogonal schneidenden Linien erstreckt. Eine sehr schwierige und gleichzeitig sehr beliebte Form der Bildkomposition ist die Fibonacci-Spirale nach dem Rechenmeister Leonardo Fibonacci, die bildlich gesprochen die Form eines Schneckenhauses hat. Diese Spirale basiert ebenfalls auf dem Verhältnis des Goldenen Schnitts von 1:1,618 und wirkt bei ihrer Anwendung sehr dynamisch und spannend.
Haupt- und Nebenmotiv
Viele Bilder kommen ausdrücklich gut mit einem einzigen Motiv aus. Besonders, wenn der Fokus deutlich auf dem einen Motiv liegt, würden weitere Elemente auf dem Bild störend wirken. Allerdings bieten sich bei vielen Bildern auch weitere Nebenmotive an, die das Bild es lebendiger wirken lassen. Ein einzelner Baum lässt das Bild schnell leer und ausdruckslos wirken. Ist auf der gleichen horizontalen Linie jedoch noch ein weiteres Element untergebracht, kommt etwas mehr Leben ins Spiel.
In der Fotografie oder bei allen dreidimensionalen Bildern kann zudem mit Haupt- und Nebenmotiven in unterschiedlichen Bildtiefen experimentiert werden. Motive im Vorder- und Hintergrund machen das Zusammenspiel von Haupt- und Nebenmotiv noch einmal reizvoller. Dabei ist es sowohl möglich, das Hauptmotiv in den Hintergrund als auch in den Vordergrund zu rücken. Die Hauptsache ist, dass der Fokus oder die Schärfe (insofern überhaupt eine Unschärfe in der Distanz vorherrscht) auf dem Hauptmotiv liegt. Der Schärfebereich entscheidet in der Fotografie nämlich automatisch darüber, was das Hauptmotiv ist.
Viele Regeln zum Brechen
Zwar gibt es bei der Bildstrukturierung eine Vielzahl an Regeln, Vorgaben und Ratschlägen, allerdings macht allein die Komposition noch kein gutes Bild aus. Besondere Bilder entstehen auch dann, wenn alle Regeln der Strukturierung außer Acht gelassen werden. Dennoch sollten die Regeln der Bildgestaltung beherrscht werden, bevor man eigenständig auf die Suche nach einem schönen Motiv zum Brechen aller Regeln der Strukturierung geht.