Schärfentiefe verstehen und bewusst einsetzen
Die Schärfentiefe (engl.: Depth of Field (kurz: DOF)), also das Ausmaß des scharfen Bildbereichs im Fokus, ist eines der wichtigsten Elemente in der Bildkomposition. Ein Foto besteht im Prinzip aus drei Bereichen. Der Schärfenebene und den beiden unscharfen Ebenen davor und dahinter. Wo die Schärfenebene liegt, kann der Fotograf zum Beispiel mit Setzen des Fokus beeinflussen. Ebenso kann er bestimmen, welches Ausmaß die Ebene im gesamten Bildbereich annimmt.
Eine hohe beziehungsweise geringe Schärfentiefe lässt das Motiv gänzlich anders wirken. Die Anwendungsbereiche sind also dementsprechend verschieden. Das Schöne allerdings ist, dass für die Anwendung keine Regel allgemeingültig ist. Spielereien und kreative Ansätze machen die Fotos erst richtig interessant. Bevor aber mit der Schärfentiefe experimentiert wird, muss erst einmal verstanden werden, wie diese überhaupt zustande kommt und wodurch sie beeinflussbar ist.
Die Faktoren
Die Größe der Schärfenebene ist abhängig von drei Faktoren. Zum einen spielt die Blendenzahl oder auch die Öffnung der Blende eine wichtige Rolle, dann ist die Brennweite des Objektivs mitentscheidend und schließlich hängt die Schärfentiefe auch von der Distanz zwischen Motiv und Fotograf ab.
Die Blende
Die Blende ist nahezu immer steuerbar beziehungsweise verstellbar. Daher ist die Blende auch der wichtigste Faktor für die Regelung der Schärfentiefe. Es gilt hierbei: Je kleiner die Blendenöffnung, also je höher die Blendenzahl, desto weniger Licht wird durch die Objektivöffnung eingelassen und desto weniger Schärfentiefe wird erzeugt. Andersherum vergrößert sich der Bereich der Unschärfe bei niedriger Blendenzahl, also größerer Blendenöffnung. Bei der maximalen Blende von f22 ist zumeist der gesamte Bildausschnitt scharf, während bei minimaler Blende das fokussierte Motiv bereits zwischen den beiden Unschärfebereichen im Vorder- und Hintergrund hervortritt.
Objektive mit kleiner minimaler Blendenzahl sind daher besonders beliebt und auch besonders teuer, da sie durch ihre Lichtstärke nicht für ideal für Aufnahmen in schwierigen Lichtverhältnissen geeignet sind, sondern auch eine sehr geringe Schärfentiefe garantieren.
Die Brennweite
Zweiter Faktor für die Schärfentiefe ist die Brennweite des Objektivs. Wer selbst ein Zoom-Objektiv besitzt oder besessen hat, der wird gemerkt haben, dass sich je nach Brennweite auch die Schärfentiefe verändert. Je größer die Brennweite, desto höher ist auch die Schärfentiefe. Während Weitwinkelbrennweiten von 8 mm bis zu 35 mm eine hohe Schärfentiefe hervorrufen, steigt die Unschärfe bei Portrait-Brennweiten wie 50 mm oder 90 mm und ist maximal bei Super- oder Ultrazooms im dreistelligen Millimeterbereich. Objektive mit besonders viel Unschärfe haben also einerseits eine lange Brennweite und andererseits eine geringe minimale Blendenzahl. Für professionelle Portraitaufnahmen, in denen idealerweise nur auf dem Gesicht des Models eine geringe Schärfenebene liegt, werden daher Brennweiten von 90 mm und eine Blendenöffnung von f1.4 bis f2.8 bevorzugt.
Die Distanz
Als letzter Faktor, der das Verhältnis zwischen Blende und Brennweite noch ein wenig beeinflussen kann, ist die Distanz zwischen Fotograf und Motiv. Je geringer der Abstand zwischen beiden ist, desto geringer ist auch die Schärfenebene. Nahaufnahmen von kleinen Objekten wie kleine Tiere oder Pflanzen erweisen sich daher oft als relativ schwierig, während eine scharfe Aufnahme von einem weit entfernten Gebäude ein Leichtes ist. Durch die Vergrößerung oder Verkleinerung des Abstands zum Objekt, das im Fokus liegen soll, kann bei gleich bleibender Blende und bei gleich bleibender Brennweite die Schärfenebene beeinflusst werden. Wer mit einem Zoomobjektiv fotografiert oder filmt, kann durch das Verstellen der Brennweite bei gleichzeitig verändertem Abstand zum Motiv sehr gut experimentieren, um die gewünschte Balance zwischen Schärfe und Unschärfe zu bekommen.
Die Anwendungsbereiche
Beide Extreme, komplette Schärfentiefe sowie eine maximale Unschärfe, sind beliebte Gestaltungsmittel in der Fotografie. Besonders von Portraitaufnahmen kennt man das Spiel mit der Unschärfe. Das Gesicht des Models ist komplett scharf, bereits andere Körperpartien verschwinden aber schon leicht in der Unschärfe. Vorder- und Hintergrund sind nur schwer wahrnehmbar und kaum zu erkennen. So bekommt das Gesicht ohne ablenkende Elemente im Bild die komplette Aufmerksamkeit des Betrachters. Auch bei Makroaufnahmen
In der Landschaftsfotografie beispielsweise zählt oft die Gesamtkomposition der Szenerie. Der Bildausschnitt kann sich bei Panoramaaussichten schon einmal schnell über hunderte Meter oder sogar über Kilometer erstrecken. Bei solchen Entfernungen ist es kaum sinnvoll, einzelne Motive durch hohe Unschärfe im Vorder- und Hintergrund hervorzuheben. Daher empfiehlt es sich bei der Panoramafotografie mit einer hohen Blendenzahl und gegebenenfalls mit einem Weitwinkelobjektiv zu arbeiten. Da bei Landschaften die einzelnen Ebenen weit voneinander entfernt liegen, spielt die Distanz zwischen Fotograf und Objekt hier eine untergeordnete Rolle.
Der fotografische Gegensatz hinsichtlich der Anwendung von Schärfentiefe ist die Portraitfotografie. Hier stehen die Gesichter und deren Mimik einzig und allein im Mittelpunkt, alles andere lenkt ab und wird daher gerne in Unschärfe verhüllt. Oft haben professionelle Portraitaufnahmen einen Schärfebereich von wenn überhaupt nur wenigen Zentimetern. Der Fokus liegt immer auf den Augen, oft verschwinden die Nase und die Ohren und in der Unschärfe. So sind die Augen der natürliche Blickfang des Gesichts und der Gesichtsausdruck wirkt stärker als bei einer hohen Schärfentiefe.
Für die Portraitfotografie eigenen sich besonders Brennweiten ab 50 mm, klassische Portraitlinsen haben auch oft eine Brennweite von ungefähr 90 mm. Die minimale Blendenzahl ist so gering wie möglich. Eine Blende von f1.7 gilt als optimal für Portraitaufnahmen mit scharfen Linsen.
Je nach Brennweite muss der Fotograf auch seinen Abstand zum Motiv verändern, da bei Portraits immer ein nahezu identischer Bildausschnitt gewählt wird. Hohe Brennweiten sind deshalb beliebt. Auch hier kann der Fotograf keinen großen Einfluss auf die Schärfentiefe durch die Veränderung seines Abstands zum Motiv nehmen, da dieser bereits vorher feststeht.
Der Grad an Schärfentiefe ist letztlich immer eine Frage des Geschmacks. Zwar gibt es Anwendungsbereiche, in denen sich entweder eine höhere oder eine geringere Schärfentiefe aus Erfahrung empfehlen, doch besonders beeindruckende Fotografien entstehen oft dann, wenn diese Empfehlungen schlichtweg ignoriert werden. Trotzdem sollte dem Fotografen immerzu bewusst sein, welche Wirkung eine hohe und eine geringe Schärfentiefe hat und was von beidem sich für das jeweilige Motiv besser eignet. Für Einsteiger und ambitionierte Fotografen, die sich mit dem Überblick über die verschiedenen Gestaltungselemente in der Fotografie noch etwas schwer tun, bedeutet das, verschiedene Objektive mit unterschiedlichen Brennweiten und Lichtstärken so viel wie möglich auszuprobieren und seine eigene Vorliebe und seinen eigenen Stil zu entdecken.
Wer noch eine etwas abstraktere Hilfe benötigt, bevor mit der Kamera eigene Erfahrungen gesammelt werden, findet bei der Online-Applikation dofsimulator.net virtuelle Hilfe. Hier kann mit verschiedenen Brennweiten und Blendenzahlen das Ergebnis der Schärfentiefe anhand von Testbildern nachvollzogen werden.